Es wird · Wind· Pause
Ich komme an und fühle mich nicht wohl. Ich bin in einem Surf Hostel, also für Surfer. Ich bin kein Surfer, habe es auch nicht vor zu lernen, also Ja, naja, mal gucken wie es wird.
Ich sehe die anderen an, sie sind deutsch und erklären mir den Weg zum Zimmer. Ich bin dankbar. Abgelenkt davon, dass sie Sonnengebräunt, ohne Shirt auf der Terrasse sitzen. Von Ihnen zu mir guckend, ein Kontrast. Ich blende in der Sonne, bin die weißeste Person und verschwitzt. Ich passe nicht hierher.
Vollgepackt gehe ich in mein Zimmer, in den Keller, niemand ist im Raum. Gut, so kann ich wenigstens einmal durchatmen, mich richten und dann geht's nach oben. Das Hostel begutachten. Im Wohnzimmer sitzen die anderen, sie kennen sich, ich stelle mich vor und dann gehe ich einkaufen. Ich komme wieder und die deutschen sonnengebräunten Jungs sind weg, trotzdem sind noch andere Surfer da. Ich passe immer noch nicht hierher. Egal, jetzt ist es zu spät.
Dieses Mal habe ich vorgesorgt, für die gesamte Woche eingekauft und geplant, abgesehen vom Wasser, aber das ist günstig und kann man so einzeln kaufen. Abends kommt die 3-Minuten-Suppenterrine in den Magen, für was anderes bin ich nicht bereit. Zu müde und zu verängstigt vor dem Kochen. Habe ich so ja noch nie gemacht.
Die Nacht wird gut verbracht. Vorteil, wir teilen uns das Vier-Bett-Zimmer nur zu zweit, anderer Vorteil, mein Zimmernachbar arbeitet wohl in der Nacht, jedenfalls geht er Abends weg und kommt erst früh in den Morgenstunden wieder.
Genervt davon, dass die Busverbindungen nicht über Google Maps zu finden sind, suche ich im Netz nach den Busverbindungen und muss dort - wie früher - die Verbindungen per Hand heraussuchen und mir Merken. Was für eine Steinzeit, fast jedenfalls, immerhin finde ich die Pläne online.
Nicht davon abhaltend, wage ich mich an mein Hauptziel in Fuerteventura. Ein Vulkan. Dieses Mal nicht aktiv und in keinem Nationalpark, sondern frei begehbar und ohne Auto erreichbar. Also ab die Trekkingschuhe an, zur Busstation und als mein blauer Navigationspunkt der Haltestelle näher rückt, wird der Stopp-Knopf gedrückt. Mitten im Nirgendwo steige ich aus. Alleine. Egal, mein Ziel ist deutlich zu sehen. Also ab an der Straße entlang, immer in Richtung des Berges.
Nicht einmal die Hälfte geschafft und ich bin geschafft. Wind, steile Wege, keine Ausdauer. Ich bin knallrot aber nicht von der Sonne. Meine Geduld sagt mir, drehe um, da ist ein süßer Markt in der Stadt, das macht mehr Spaß. Mein Ehrgeiz sagt nein. Ich laufe weiter. In der brütenden Sonne - hätte ich mal die Tipps beachtet, entweder früh morgens oder spät Abends herkommen, aber nein, ich muss ja zur Mittagszeit da sein - egal ich laufe weiter. Die Cappy schon bald nicht mehr auf dem Kopf sondern in der Hand. Sie wird zu häufig vom Kopf gefegt. Man geht mir der Wind auf die Nerven, obwohl er schon gut tut bei der Anstrengung... nein, habe mich entschieden, er nervt!
Während andere den Weg locker schaffen, schnaufe ich mit hochrotem Kopf wie... was halt ständig und laut schnauft. Ständig mache ich Pausen, trinke mein Wasser und drehe mich aus dem Wind hinaus. Dann geht es weiter und hey, ich habe es geschafft. Ich bin oben. Habe den Aufstieg überlebt, wurde nicht vom Wind heruntergeblasen, habe mir nur drei oder vielleicht auch viermal die Füße verknackst - ein Rekord, ich hätte mit mehr gerechnet.
Der Ausblick: WOW. Die Sonne knallt, der Wind fegt und die Atlas-Hörnchen (einheimische Eichhörnchen) betteln um Essen. Im Krater laufe ich entlang, nicht oben rum, sondern IM Krater. Keine zwei Leute passen auf dem Weg nebeneinander her und doch laufe ich da, trotze dem Wind und dem losen Schotter.
Dann Shit, ich komme hier gar nicht zum Aussichtspunkt hoch. Also wird es nicht nur eine Wanderung, sondern auch eine Klettertour. Fest am Gestein haltend, klettere ich die Steine hoch, versuche nicht auf die Eichhörnchen zu treten oder abzurutschen und in den Krater zu fallen.
Ich habe es geschafft, der sichere Aussichtspunkt befindet sich unter meinen Füßen. Jetzt genieße ich den Wind, kühle mich ab und die Wunde, die ich mir am Finger zugezogen habe, ignoriere ich erstmal. Sichere mich aber dann doch lieber nochmal ab, ich bin doch gegen Tetanus geimpft, oder?
Oben entscheide ich mich dagegen, den Vulkan zu umrunden und sehe, verdammt! Es gibt einen viel einfacheren Weg hinauf auf den Gipfel. Stolz steigt in mir empor. Hey, ich habe den härteren Aufstieg geschafft! Geil. Aber trotzdem laufe ich den einfacheren Weg hinab.
Denke ich jedenfalls, denn so unerfahren ich im Wandern bin, habe ich die falsche Abzweigung genommen und bin abseits des Pfads. Also laufe ich mitten in der Sonne, durch Stein und vertrocknete Dornenbüsche. Setzt mich nie in der Wildnis aus, überleben werde ich da sicherlich nicht. Irgendwie finde ich den Pfad wieder und habe endlich wieder Asphalt unter meinen Füßen. Gott sein Dank.
Dann gehe ich in die Stadt, schlendere über den Markt und eine Busfahrt später sitze ich am Strand von El Cotillo. Ein Strand wunderschön und bei dem Wind nicht zum schwimmen geeignet. Mit dreckigen Beinen sitze ich auf der Bank an der Küste, esse meine Brote und die Banane, mit Salzgeschmack, denn das Wasser spritzt hoch. Überglücklich über meinen Erfolg, ignoriere ich meine dreckigen Beine und die Blicke der anderen. Abends genieße ich die Dusche im Hostel und trauere etwas dem Dreck hinterher, wenigstens war ich für ein paar Stunden braun an den Beinen.
Am nächsten Tag schlafe ich aus und merke die Anstrengung vom Tag zu vor. Ich entscheide mich nicht mehr viel zu machen und laufe los zu den Dünen von Corralejo. Immerhin eine Strecke von über eine Stunde zu Fuß. Und es ist mal wieder Wind pur. Ich hasse ihn, peitscht er mir doch immer ins Gesicht und der Sand, überall Sand. Am Strand und in Dünen nicht anders zu erwarten aber trotzdem mag ich ihn nicht auf mir klebend.
Gefühlt mitten in der Wüste, abseits von allem, verbringe ich mein Fotoshooting. Jeder will ja die Fotos sehen. Dann der Rücktritt. Genervt vom Sand bin ich glücklich die Straße wieder zu finden. Warum sieht das bei Baywatch so einfach aus, durch den Sand zu rennen, wenn es in Wirklichkeit so anstrengend ist? Und ich laufe nur.
Der nächste Tag fängt mit einem Brummen an, die Luft im Keller ist nicht so gut und das Wetter schlaucht mich. Weil ich immer ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich nichts mache, mache ich dann doch etwas. Ich laufe in die Stadt und gucke mir Corralejo an. Eine gute Entscheidung, es ist ein kleines Fischerdorf und süß. Dann gehe ich zurück und arbeite an meinem Blog. Unterhalte mich mit den anderen aus dem Hostel, mit denen ich endlich Kontakt geknüpft habe.
Genervt darüber, dass ich nicht gerne Auto fahre und hier auf der Insel, vieles ohne Auto nicht erreichbar ist, steigt meine Laune nicht und ich muss leider auf mehrere geplante Sachen verzichten. Schade aber dafür habe ich mehr Zeit für meinen Blog und Content für Instagram.
Um nicht das Gefühl zu bekommen, meine Zeit in Fuerteventura zu verschwenden, fahre ich am letzten vollen Tag nach Betancuria. Und erlebe mein persönliches Highlight. Die alte Hauptstadt ist klein, süß und grün. Ein Kontrast zu dem Sand sonst und ich liebe es. Zudem wimmelt es hier vor Geschichte und das Museum ist kostenlos. Also ab rein, dankend nehme ich auch die Klimaanlage an.
Am Brunnen sitzend mit Blick auf die alte Kirche hänge ich meinen Gedanken nach und warte auf den Bus. An der Bushaltestelle unterhalte ich mich mit einer älteren Dame aus London und erhalte so viele Tipps und Hinweise für meine Reise. So süß. Die Busfahrt über starre ich aus den Fenstern, die Stadt liegt in den Bergen und der Weg dahin ist schon so cool. Links oder Rechts von einem, je nachdem wo man gerade fährt, ist nichts. Meterweit geht es steil bergab und die Aussicht. I love it. Schnell ist somit das schlechte Gewissen gewichen, nicht so viel unternommen zu haben.
Im Hostel dann die erste Negative Erfahrung. Schon vorher hat der ältere Mann aus Frankreich versucht mit mir Kontakt aufzunehmen, ist nicht wild, weshalb ich darauf eingegangen bin. Aber dann wird es nervig, ich will einfach nur packen, er kommt sogar in mein Zimmer und das obwohl seins oben ist und nicht im Keller und seine Absichten... die führe ich hier nicht weiter aus. Die anderen im Hostel helfen mir, bleiben bei mir, so dass ich nicht allein bin. Dafür bin ich dankbar. Immerhin bin ich alleine als Frau in einem Hostel mit vier anderen Männern. Ein weiterer Gast kommt an, auch ein Franzose und sturzbesoffen. Er fällt vom Stuhl und bleibt schlafend auf dem Boden liegen. Wir ignorieren ihn und genießen den Abend. Den alten Franzosen habe ich abwimmeln können.
Ich gehe früh ins Bett, am nächsten Tag muss ich früh aufstehen, die anderen bleiben noch auf und dann kommt der, der mir vorher behilflich war und will in meinem Bett schlafen. Ich sage Nein, deutlich und lege mich wieder schlafen. Sicher, weil der andere Zimmergenosse, der auch schon am Anfang mein Zimmergenosse war, da ist und mich unterstützt.
Nicht viel geschlafen, stehe ich früh auf, leider sind die Franzosen auch schon wach. Ich habe gehofft ihnen aus dem Weg gehen zu können. Kurz angebunden sage ich tschüss und gehe schon eher aus dem Haus. Lieber sitze ich an der Bushaltestelle als mich weiter mit ihnen zu Unterhalten, dafür fühlt es sich nicht richtig an.
Das schlechte Gefühl schnell abschüttelnd, freue ich mich auf die neue Station, auch wenn ich dafür auf eine Fähre muss, für ganze zwei Stunden. Lange sitze ich am Hafen, warte auf das Boarding und gucke am Straßenrand, im Schatten sitzend meine Serie. Auf der Fähre fühle ich mich wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Das Ding ist riesig.
Ich sitze am Fenster und dann geht es los. Übelkeit steigt in mir auf. Ich weiß nicht ob vom Wellengang oder vor Hunger. Leider ist mir schlecht und ich traue mich nicht aufzustehen und mir etwas zu Essen zu holen. Das Schiff schaukelt so sehr, zudem bin ich müde aber schlafen geht nicht, dann wird das Schaukeln noch schlimmer.
Ich blicke auf den Horizont und erste Tränen laufen mir aus den Augen. Ich kann nichts dagegen machen, ich bin einfach geschlaucht. Müde, hungrig und übel schlafe ich dann doch ein paar Minuten. Dann sehe ich die neue Insel. Dunkel und mit Wolken überhangen. Na toll. Wird ja super, ich komme an und es regnet. Am Hafen regnet es nicht, gut, also nur in den Bergen.
Dankend nehme ich es an, dass die Busse wieder mit Google Maps angezeigt werden und Modern sind. Anders als auf den Inseln zu vor, sind die Busse normale Linienbusse, wie man sie aus Deutschland kennt und keine Reisebusse mehr. Ich bin in einer Großstadt angekommen und nicht mehr auf den Massentourismus-Inseln.
Mit einem Lächeln nehme ich das neue Abenteuer an. Großstadt-Jungle, ich komme.