Regen · Fahrrad fahren · Hitze
Die Nacht verbringe ich im Schlafbus. Dieses Mal habe ich Glück: Mein Bett ist nicht ganz hinten, also schaukelt es weniger, und ich kann etwas Schlaf finden – bis ich um sieben Uhr morgens in der neuen Stadt ankomme.
Es ist Cat Ba, der Ort, von dem es nicht weit zum Weltkulturerbe der Halong-Bucht ist. Während meiner ersten Reise durch Vietnam war ich auch schon hier – oder eher: nur auf dem Wasser. Deshalb bleibe ich jetzt etwas länger und schaue mir die Stadt richtig an.
Da ich natürlich noch nicht einchecken kann, aber total k. o. vom Busfahren bin, sitze ich im Wartebereich und ruhe mich etwas aus. Später ziehe ich los, schlendere durch die Gegend, gönne mir eine Smoothie-Bowl, auf die ich mich schon lange gefreut habe. Danach geht’s zur Massage, wo mir auf angenehme Weise der Rücken durchgeknetet wird.
Nach einer Dusche und etwas Schlaf genieße ich den Sonnenuntergang auf der Dachterrasse und spiele später mit anderen noch eine Runde Karten.
Den nächsten Tag verbringe ich größtenteils auf dem Boot. Es geht für mich zum zweiten Mal in die Halong-Bucht – ein ziemlicher Kontrast zu meinem ersten Besuch Monate zuvor. Stand ich damals noch mit kurzer Hose und Top auf dem Deck, trage ich jetzt meine dicke Jacke und zwei Lagen Stoff. Es ist wirklich frisch.
Das drückt vielleicht auch ein wenig auf die Begeisterung. Obwohl ich mich gut mit den anderen auf dem Ausflug verstehe – ein paar von ihnen habe ich schon auf der Ha Giang Loop getroffen – will die Freude, die man bei einem Weltwunder erwartet, irgendwie nicht aufkommen. Liegt es vielleicht daran, dass ich die Bucht schon einmal gesehen habe? Eher nicht – denn ehrlich gesagt hat sie mich auch beim ersten Mal nicht so richtig abgeholt. Ja, sie ist schön anzusehen, besonders wenn das Licht bei Sonnenuntergang alles in warme Farben taucht, und das Wasser ist mehr als klar. Aber es sind halt Berge und Wasser – nichts, was ich nicht schon einmal gesehen hätte. Ich denke dabei an Thailand oder die Philippinen. Wie ein Tourguide einmal meinte: „Same, same but different“ – übersetzt so etwas wie: „Alles gleich und doch anders.“
Was aber wirklich Spaß gemacht hat, war die Kajakfahrt mit einem Amerikaner, mit dem ich mir das Boot geteilt habe. Zum Glück ist er Profi im Kajakfahren – im Gegensatz zu mir. Am Anfang bin ich noch etwas unsicher, finde aber schnell meinen Rhythmus. So schaffen wir es ziemlich trocken durch die Höhlen und erkunden einige versteckte Buchten. Nur ein paar Mal bleiben wir im seichten Wasser stecken oder stoßen mit anderen zusammen. Gekentert ist aber niemand – Erfolg, würde ich sagen.
Am Ende geht es zum Monkey Beach, wo – wie der Name schon sagt – viele kleine Affen am Strand sitzen und auf die Touristen warten. Die anderen klettern zum Aussichtspunkt hoch. Ich bin zu faul, meine Lunge wieder einmal an ihre Grenzen zu bringen, und bleibe lieber am Strand. Es ist schon ziemlich absurd, barfuß und gleichzeitig in dicker Jacke dort zu sitzen – aber irgendwie auch schön.
Die kleine Enttäuschung über den Tag verfliegt am Abend. Auf der Dachterrasse setze ich mich zu ein paar Amerikanern an die Theke. Wir kommen ins Gespräch, und schnell finden wir heraus, dass der Barkeeper heute Geburtstag hat. So kommt es, dass wir mit ihm feiern – und ich mehr Shots trinke, als man mir zugetraut hätte. Und das auf Kosten der Bar. Zu kostenlosen Drinks sagt man eben nicht Nein – außer man weiß nicht, von wem sie kommen. Dann natürlich schon!
Faule Tage – "Rest-Days", wie ich sie nenne – gehören zum Reisen dazu. Das habe ich auf die harte Tour gelernt. Also steht heute genau so ein Tag an.
Ich lasse mir Zeit beim Frühstück, daddle am Handy und mache mich dann auf den Weg – die steilen Straßen hinauf. Vorbei an einem Hotel und schließlich an einen kleinen Strand. Das Wetter lädt zwar nicht zum Baden ein, aber zum Verweilen allemal. Immer wieder bleibe ich auf dem Pfad stehen, mache Fotos, genieße die Aussicht – und treffe auf zwei Inder, die ich in den letzten Tagen im Hostel kennengelernt habe. Wir quatschen noch ein wenig, dann heißt es Abschied nehmen, da sie heute schon abreisen.
Vom zweiten Strand aus geht es wieder zurück in die Stadt. Dort setze ich mich in ein Restaurant, bringe meinen Social-Media-Account auf Vordermann und plane die nächsten Tage.
Die nächsten Tage verbringe ich wieder in Hanoi.
Da ich beim letzten Stopp nur eine Nacht hier war, nehme ich mir diesmal mehr Zeit. Ich schlendere durch die Straßen mit all den kleinen Shops, lerne bei einer Free-Walking-Tour mehr über die Entstehung und den Alltag der Stadt. Ich laufe um den See, wo sich die älteren Einheimischen abends zum gemeinsamen Sport und Tanzen treffen. Begeistert von dieser Idee bin ich kurz davor mitzumachen – am Ende schaue ich ihnen aber nur mit einem breiten Grinsen zu.
Da das Wetter nicht gerade das beste ist, sehen die Tage oft so aus, dass ich von einem Café ins nächste ziehe. Ich schreibe und plane. Dabei darf ein Besuch im berühmten Sticky-Notes-Café nicht fehlen. Wer weiß – vielleicht finde ich ja die Notiz vom letzten Jahr wieder, die ich dort hinterlassen habe?
Kurze Antwort: Nein, habe ich leider nicht. Dafür aber neue hinterlassen.
Über die App Hostelworld verabrede ich mich mit anderen Reisenden, und zusammen gehen wir auf die berühmte Beer Street – wo ich mir aber lieber einen Cocktail gönne. Vielleicht auch ein paar mehr.
Neben der Beer Street gibt es auch die Train Street – eine Straße mit vielen Restaurants und Cafés, durch die mehrmals täglich ein Zug fährt. Das Highlight in Vietnams Hauptstadt. Dort suche ich mir ein kleines Restaurant, esse leckeres Essen und warte auf den Zug.
Wobei ich eher in den Hintergrund rücke – ich bin allein, und die Besitzerin möchte den Tisch gerne an andere zahlende Gäste vergeben. Ich ärgere mich nicht darüber – ich kenne das Spektakel ja schon. Stattdessen biete ich der netten Oma aus einer kanadischen Reisegruppe meinen Platz an, damit sie mit ihren Freunden zusammenstehen und besser sehen kann.
Generell kommt man oft mit anderen ins Gespräch: Beim Essen unterhalte ich mich mit einem indischen Paar, später mit einem deutsch-vietnamesischen Pärchen und am Ende mit der kanadischen Gruppe. Kultureller Austausch vom Feinsten.
Den letzten Tag verbringe ich damit, zum wohl besten Bánh-Mì-Laden der Stadt zu laufen.
Beim ersten Besuch hatte dieser geschlossen – jetzt habe ich Glück. Und ja, es hat sich gelohnt: Die Sandwiches waren verdammt lecker. Eine passende Stärkung für die Busfahrt in die nächste Stadt.
Ninh Binh besuche ich zum ersten Mal – und verliebe mich sofort.
Ein großer Kontrast zum lebendigen Hanoi: Hier herrschen Ruhe und eine angenehme Gemütlichkeit. Ich laufe vom Hostel an Reisfeldern, Bergen und Flüssen vorbei zu einem kleinen Tempel, ohne dabei Angst haben zu müssen, von einem Scooter überfahren zu werden. Die größte Gefahr hier? Mit einem Fahrrad zusammenzustoßen – denn das ist eine der Hauptaktivitäten: Ein Fahrrad mieten und durch die Landschaft fahren. Auch das steht auf meinem Plan.
Da ich mich auch von den Hauptwegen entferne, entdecke ich einen der schönsten Friedhöfe, die ich je gesehen habe. Ja, ich weiß, wie makaber das klingt – aber es ist die Wahrheit. Ehrlich: Hier würde ich auch gerne begraben werden, umgeben von magischen Bergen, direkt neben einem klaren, breiten Fluss. Einfach schön.
Genauso bezaubernd ist auch die Innenstadt, die etwas weiter entfernt liegt. Zusammen mit zwei anderen aus dem Hostel teilen wir uns ein Grab – ein vietnamesisches Taxi – und fahren dorthin, wo uns bunte Laternen und ein Tempel empfangen, der sich malerisch im dunklen See spiegelt.
Der Regen der Vortage hat aufgehört, also mache ich mich mit dem gemieteten Fahrrad auf, die Gegend zu erkunden. Wie lange ich schon nicht mehr auf einem Fahrrad saß? Das letzte Mal in Indien – was zwar nur etwas über drei Wochen her ist, aber für eine Münsterländerin gefühlt ein halbes Jahrhundert bedeutet.
Eigentlich will ich gemütlich fahren – wenn mich das Navi nicht über Felder schicken würde, die dank der letzten Regenfälle eher Matschlöcher als Wege sind. So kommt es, dass sich der ganze Schlamm zwischen Schutzblech und Reifen sammelt – der Reifen blockiert. Mit Stöcken und bloßen Händen versuche ich, das Ganze zu lösen – und schaffe es irgendwann auch. Während mir der Schweiß in Strömen den Rücken herunterläuft, obwohl ich eigentlich „nichts“ gemacht habe.
Naja, kennt man ja. Also Navi auf laut und Handy in den Fahrradkorb – neben dem neuen Rucksack aus Nepal. Diesmal nehme ich den Umweg über asphaltierte Straßen in Kauf. Die Gegend ist schließlich schön genug. Die Blicke der anderen auf meine völlig mit Matsch überzogene Hose und mein Shirt ignoriere ich geflissentlich. Sollen sie doch denken, was sie wollen.
Am Ende komme ich an meinem Ziel an: einem Aussichtspunkt, der – Überraschung – über dutzende von Stufen erreichbar ist.
Langsam mache ich mich auf den Weg, während mir schon die ersten Schweiß- und Dreck-bedeckten Besucher entgegenkommen. Gott, was habe ich mir da nur wieder vorgenommen? Obwohl … ich sehe ja jetzt schon genauso aus, ohne auch nur eine Stufe erklommen zu haben.
Die ersten Stufen sind schon eine Herausforderung – hoch, unregelmäßig, definitiv nicht genormt. Nach dem ersten Abschnitt mache ich eine Pause und blicke nach oben: Verdammt, noch so viele weitere Stufen.
Mit mir steigt eine amerikanische Reisegruppe – ältere Herrschaften – hinauf. Einige davon fitter als ich, wie ich feststelle. Die anderen bleiben in meiner Nähe – oder eher ich bei ihnen. Wir kommen ins Gespräch, machen uns gegenseitig Mut und schaffen es gemeinsam die unzähligen Stufen hinauf.
Während sie weiter zum Drachen auf dem Gipfel steigen, nehme ich die andere Seite mit dem kleinen Tempel. Dort stelle ich mich in die Schlange für den Fotospot. Problem: Es ist voll – und vor mir stehen drei asiatische Mädchen, die offensichtlich für ein Fotoshooting hergekommen sind. Alle top gestylt, alle posieren in endlosen Varianten – mal mit Fächer, mal ohne, mit Jacke, ohne.
Nach über 30 Minuten ist die erste endlich fertig. Andere drängeln sich vor, das zweite Mädchen ist dran. Wirklich – normalerweise habe ich nichts gegen Fotoshootings, ich fotografiere selbst gerne – aber das war übertrieben. Und nervig.
Als sie endlich weg sind, stelle ich mich schnell an die Stelle, bitte einen Mann in meinem Alter, ein paar Fotos von mir zu machen, und bedanke mich. Keine fünf Minuten später habe ich ein paar Bilder: Ich, völlig verschwitzt, mit hochrotem Kopf, einer Fahne in der Hand – im Hintergrund der Berg.
Auch auf der anderen Seite des Berges ist es nicht gerade leer. Ich weiche anderen Touristen aus, grüße die Amerikaner wieder und mache ein Foto – okay, vielleicht auch ein paar mehr – von mir mit guter Aussicht. Weniger Schweiß sichtbar, bin ich doch nur von hinten zu sehen.
Oben angekommen versuche ich noch, bis zur Drachenstatue zu kommen. Bis zum Kopf schaffe ich es auch – aber weiter nicht. Zu gefährlich, zu voll. Außerdem beginnt es zu regnen. Und wenn ein falscher Schritt bedeutet, mehrere hundert Meter tief zu fallen, sage ich: Man kann nicht alles haben.
Wieder unten laufe ich über Lotusfelder und fahre anschließend noch zu einem Tempel, der sich über drei Etagen erstreckt und größtenteils in einen Berg gehauen wurde – was natürlich weitere Treppen bedeutet.
Langsam schleppe ich mich hinauf und frage mich, wie die Buddhisten auf die Idee kommen, ausgerechnet einen Tempel in einen Berg zu bauen. Als würde jemand den Berg sehen und denken: „Hey, perfekt für einen Tempel!“
Die Fahrradtour neigt sich dem Ende.
Ich gönne mir eine heiße Dusche, einen Smoothie und etwas zu essen am See. So lässt es sich gut auf dem E-Book lesen.
Am Abend treffe ich mich über die Hostelworld-App mit mehreren anderen – und zusammen verbringen wir nicht nur den Abend, sondern auch die nächsten Tage.
10 Leute, 5 Scooter – so machen wir uns auf den Weg. Gestern abgesprochen, heute umgesetzt. So treffen wir uns zum Frühstück in einem Café in der Nähe, und schon brettern wir über den Asphalt, bis zur nächsten Tankstelle – und schon haben wir die ersten verloren. Das kann ja spaßig werden. Kurze Zeit später finden wir uns wieder, und dieses Mal bleiben wir auch zusammen in einer Kolonne. Es geht zu einer Bootstour, die nicht ganz so überlaufen sein soll wie die in der Stadt.
Gerade als ich denke, ich kann nicht länger auf dem Scooter sitzen bleiben, kommen wir an und brechen in kleine Panik aus. Neben uns kommen mehrere Reisebusse an und mit ihnen viele, wirklich viele Personen. Schnell machen wir uns auf den Weg, verteilen uns dann auf die Boote und genießen die Fahrt über den See an den Bergen vorbei, wobei wir sogar schwarze Affen klettern sehen.
Dank einem unfreiwilligen Stopp durch eine Panne machen wir uns nun langsamer auf den Weg zurück. Fahren in die Stadt, die ich schon von meinem ersten Tag kenne – im Dunkeln mit den Laternen eindeutig schöner als bei Tageslicht, wenn nichts los ist. Essen die beste Pho Bo, die ich bis jetzt gegessen habe, was wir der Halbvietnamesin zu verdanken haben, die für uns übersetzt hat. Andernfalls wäre jeder von uns weitergegangen, sieht alles doch eher nach Lebensmittelvergiftung aus oder der Möglichkeit, Hunde- oder Katzenfleisch zu bekommen. Am Ende war es normales Rindfleisch und keine Beschwerden.
Der nächste Stopp entwickelt sich zu einem Flop: Wir fahren wieder zu dem Tempel, an dem ich schon am Vortag war, doch dieser schließt gerade und wir kommen nicht hinein. Dafür wurden wir aber am Parkplatz abgezogen, haben sie von uns Geld verlangt, obwohl sie wussten, dass der Tempel schließt. Ein weiterer Scam auf meiner schon langen Liste. Genauso haben wir auch beim nächsten Stopp Pech. Eigentlich wollten wir in das Bird Valley, wo, wie der Name schon sagt, Vögel beobachtet werden können. Doch die Ticketverkäuferin gibt uns den Tipp, jetzt nicht mehr hineinzugehen, es sei zu voll und die Vögel schon so gut wie weg. Wir vertrauen ihr und kehren um. Am Abend treffen wir uns aber auf eine Pizza und die Happy Hour im Hostel nebenan.
Hin und her überlege ich, was ich heute mache. Schließe ich mich der Truppe vom Vortag an, um am frühen Morgen ins Bird Valley zu fahren, oder den beiden Frauen, von denen ich eine schon in Indonesien kennengelernt und zufällig zwei Tage vorher wiedergetroffen habe? Am Ende schließe ich mich meiner Bekanntschaft aus Indonesien an, ihr Vorschlag liegt eher in meinem Interesse als Vögel zu betrachten.
So fahren wir zu dritt zu der größten Pagode in Vietnam und werden von der schieren Größe der gesamten Anlage überrascht. Es ist eindeutig nicht klein. So werden wir mit einem Shuttle vom Eingang zum eigentlichen Gelände gefahren. Von dort erkunden wir das weitläufige Gelände zu Fuß, betreten einen Tempel nach dem anderen und unzählige Treppen hinauf und hinab, bis wir vor der dreizehnstöckigen Pagode stehen und ich meine innere Ruhe verliere. Leider haben viele der asiatischen Besucher keine Manieren, und es tut mir wirklich leid, das sagen zu müssen, aber es ist so! Während wir den ersten Stock erklimmen, schubsen sie mich zur Seite, drängeln sich an mir vorbei und wissen eindeutig nicht, was Abstand ist. Meine Nerven sind strapaziert, und ich muss mich echt zusammenreißen, diese Personen nicht die Treppe hinunterzuschubsen. Am Ende kann ich mich zurückhalten und hoffentlich etwas von meinem guten Karma behalten.
Meine Laune ist damit etwas am Ende, und ich bin froh, dass wir uns wieder auf den Weg zurück machen. Bevor uns der Taxifahrer abgesetzt hat, hat er uns angeboten, uns wieder abzuholen und weiterzufahren. Da das Angebot genau so viel kostete wie in der App, sagen wir zu. So müssen wir uns nicht damit herumschlagen, ohne Internet eine neue Fahrt zu buchen.
Der zweite Stopp ist eine weitere Anlage von Tempeln, die auf meiner Liste stehen, doch auch hier wimmelt es von Touristen, und meine Laune wird nicht besser. Dazu kommt auch die Müdigkeit und die Belastung vom ganzen Laufen. Den anderen beiden geht es genauso, weshalb wir nur kurz durch die ersten Tempel laufen, etwas die Stadt erkunden und dann schnell wieder umdrehen und ganz zurückfahren.
Dort ist der Stromausfall immer noch aktiv, weshalb die nötige Dusche eiskalt, aber schön erfrischend ist, und das Abendessen beim Mexikaner mit den Leuten vom Vortag zum Candlelight-Dinner wird. Als dann das Licht angeht, springen wir schnell auf und laufen über die Straße zum Bankautomaten, keine Sekunde zu früh, denn hinter uns bildet sich schon eine lange Schlange. Kein Wunder, ist es doch der einzige Automat ohne große Abzüge.
Wieder mit Geld in der Tasche geht es weiter zur Happy Hour in der schon fast Stammbar, dann heißt es auch schon: Auf Wiedersehen sagen, denn für viele geht es am nächsten Tag schon weiter. Mich eingeschlossen.
Wie es aber für mich schon üblich geworden ist, geht es erst mit einem Nachtbus weiter, so steht mir der ganze Tag noch zur Verfügung. Dieser artet wieder zu einem Rest-Day aus. Im Café, in dem ich schon vor ein paar Tagen war, verbringe ich den Tag damit, wieder den Instagram-Account auf Vordermann zu bringen und schon für das nächste Land auf der Liste zu recherchieren.
Die Fahrt im Nachtbus ist holprig und nicht gerade erholsam. Besonders das Ende, denn dort werde ich aus dem Bus geschmissen und ohne eine Erklärung in ein Taxi gesetzt. Einzig der Taxifahrer kann Englisch und erklärt mir endlich, dass die Fahrt inklusive ist, da der Bus nicht in die Stadt fährt und er mich so zu meinem Zielort bringt. Erleichtert lehne ich mich zurück, froh, nicht schon wieder gescammt worden zu sein.
Gerade als meine Augen immer wieder zufallen, kommen wir an meinem neuen Hostel an. Mit acht Uhr morgens ist es noch zu früh zum Einchecken, so stelle ich meinen Rucksack ab und begebe mich auf Essenssuche. Dank einer Influencerin, der ich folge, werde ich schnell fündig und erhalte ein reichhaltiges Frühstück und einen netten Platz im Schatten und unter einem Ventilator. Anders als noch im Norden ist es hier heiß und schwül. Mein Shirt ist schon komplett nassgeschwitzt, und wie es typisch deutsch ist, beschwere ich mich schon jetzt darüber. War es vorher zu kalt und zu nass, ist es jetzt viel zu heiß.
Was aber nicht bedeutet, dass ich den Tag nicht genieße, bin ich doch jetzt in Hoi An, meiner Lieblingsstadt in Vietnam. Es ist eine kleine Innenstadt mit bunten Häusern, und überall hängen Laternen. Dazu wimmelt es von kleinen Shops und Schneidereien, die Maßanzüge und Kleider nähen. Da ich die Stadt schon kenne, ploppen immer wieder Erinnerungen an meinen ersten Besuch auf. So muss ich schmunzeln, als ich das Bananenhemd wiedersehe, das ich als Geschenk von meinem ehemaligen Guide erhalten habe und das nun in meinem Schrank zu Hause hängt.
Zurück im Hostel kann ich endlich einchecken und zum ersten Mal, seit ich wieder unterwegs bin, eine kurze Hose anziehen. Was ich am Ende des Tages schon wieder bereue, sind meine Oberschenkel – sie sind schon blutig gescheuert. Wie gesagt, es gibt immer etwas zu beklagen. Doch der Anblick der leuchtenden Laternen am Fluss und die gute Stimmung der Leute machen das auch wieder wett.
Das letzte Mal habe ich bei den ganzen Schneidern nicht zugeschlagen, jetzt habe ich es vor. Doch schnell schlägt die Euphorie in Niedergeschlagenheit um. Alles, was mir gefällt, passt mir nicht, und die Schneider sind mir zu teuer. Am Nachmittag schreibe ich mit Mama zu Hause und lasse meinen Frust laufen. Sie bestärkt mich, es doch einfach weiter zu versuchen, und am Ende hat sie (wie so oft) Recht: Ich finde einen Laden, der mir mein gewünschtes Outfit zum fairen Preis schneidert. Natürlich nicht in der Qualität wie bei anderen, aber für mich reicht es, und ich mache mich nach einem Stopp in einer Fotogalerie über indigene Völker glücklich zurück ins Hostel.
Frisch geduscht treffe ich mich mit vier anderen Mädels, und zusammen teilen wir uns eines der Boote, die über den Fluss fahren, wobei man eine Kerze zu Wasser lassen kann. Das mache ich nicht, schaue den anderen dabei aber zu und erinnere mich an die Flower-Zeremonie am Ganges in Indien zurück. Unterschiedliche Kulturen und doch Ähnlichkeiten – wir sind alle doch nicht so anders, wie man denkt.
Nachdem gemeinsamen Abendessen laufen wir noch über den täglichen Streetmarket, wo wir uns die vielen Laternen und die Angebote anschauen. Dann verabschiede ich mich von meinen neuen Bekannten und hole mir noch einen Nutella-Crêpe. Den Rest des Abends verbringe ich in einem Gespräch mit einer weiteren Reisenden, die dank der Happy Hour schon etwas angetrunkener ist. Dann heißt es: Früh ins Bett gehen, morgen geht es schon früh wieder los.
Glück gehabt: Obwohl das Frühstück noch nicht begonnen hat, steht es schon bereit, und ich bekomme doch noch etwas zwischen die Zähne, kann mir sogar noch ein paar Bananen als Proviant einpacken. Dann werde ich auch schon von der gebuchten Tour abgeholt, und so beginnt die typische Touristen-Tour. Im Van werden alle Reisenden nacheinander abgeholt und dann zu einem Stopp gebracht, wo man mehr oder weniger dazu verleitet wird, etwas zu kaufen. Etwas genervt davon warte ich draußen darauf, dass es weitergeht, beschwere mich aber nicht, immerhin hätte ich es mir auch denken können. Eine Stunde später kommen wir dann am Zielort an: den Ba Na Hills.
Es ist eine Art Freizeitpark oben auf einem Berg, der durch eine Seilbahn erreichbar ist. Wer aber Achterbahnen und Karussells erwartet, ist hier falsch. Es ist ein Park mit unterschiedlich gestalteten Bereichen. Das, was mich am meisten interessiert, ist eine goldene Brücke, die von zwei Betonhänden gehalten wird. Es ist ein teures Touristenziel, eigentlich nicht ganz das, was man als Backpacker macht – aber egal. Leider ist die Enttäuschung groß, denn die Brücke und die Hände sind im Nebel gehüllt. Man sieht buchstäblich nichts außer einer weißen Wand. Wie schon in Nepal und auf dem Ha Giang Loop im Norden von Vietnam.
Die Enttäuschung wird etwas besser, als ich durch den Park laufe und schnell merke: Die Asiaten haben es echt mit Details. So laufe ich durch ein französisches Dorf, wie Belle in „Die Schöne und das Biest“. Kurz darauf durch eine Burg und an der Glaspyramide vorbei, die mich nach Paris zurückverschlägt. Auf drei Stockwerken kann man sogar 4D-Filme anschauen. Oben auf dem Berg ist ein buddhistischer Tempel mit einer tollen Aussicht. Und dann – Glück gehabt: Der Nebel lichtet sich, und ich sehe die Brücke in ihrer ganzen Pracht. Ein weiterer Pluspunkt: Unser Guide macht Fotos, so auch von mir.
Zurück in der Stadt gibt es noch frische Sommerrollen (ohne Meerestiere!) und gebratenen Maiskolben. Die vielen bunten Laternen spiegeln sich im Fluss, und ich sauge die Stimmung ein.
Der letzte Tag in Hoi An. Morgen geht es weiter. Ich lasse es langsam angehen: lange schlafen, ausgiebig frühstücken, Netflix schauen und meine neuen Sachen aus der Schneiderei abholen. Alles passt perfekt und gefällt mir. Zwar schlicht, aber genau mein Stil: schwarz-weiß gestreifte Bluse und Shorts.
Der Regen hat den Fluss über die Ufer treten lassen, weshalb ich einen Umweg durch die kleinen Gassen mache. In einem kleinen Café erzähle ich Mama stolz von meinen neuen Klamotten.
Zurück im Hostel schaue ich weiter Netflix und habe ein weiteres Gespräch mit meiner australischen Bekanntschaft – wieder leicht beschwipst. Ihre Reisegeschichten bringen mich auf neue Ideen.
Wer weiß, was noch alles kommt.