Stress · Heiß · Weinend im Paradies
Ein paar Flüge habe ich nun schon hinter mir und auch schon ein paar stressige aber so einen Stress hatte ich noch nie.
Alles fängt gut an, ich bin - wie immer - über pünktlich am Flughafen, finde dank Uber-Fahrer direkt das richtige Terminal und finde schnell, dank den ausgeschilderten Anzeigen, den Check-In-Schalter. Er hat noch nicht geöffnet, nun gut, ich bin ja auch ziemlich früh da. Also setze ich mich auf den Boden und warte. Und warte. Und warte.
Zwei Stunden sitze ich auf dem Boden, bis der Schalter öffnet und sich die ersten Leute für den Flug anstellen. Ich warte immer noch, lasse die anderen vor, sie haben viel Gepäck und das wird so oder so lange dauern. Irgendwann stehe ich auf, gute Entscheidung, denn hinter mir stehen auf einmal dutzende von Personen, keine Ahnung woher die alle herkommen und wie alle in das Flugzeug passen sollen?
Der Mann hinter dem Schalter nickt mich mit einem brummen zu sich, ich grüße nett auf arabisch und reiche ihm meinen Reisepass. Er fragt mich nach meinem Gepäck, ich zeige ihm meine beiden Rucksäcke und dann kommt die Erklärung, dass ich meinen großen Rucksack nicht in das Flugzeug mitnehmen kann, obwohl online etwas anderes stand. Ich versuche zu Diskutieren, doch bei dem Gesicht, dass der Mann zieht, rudere ich schnell zurück. Okay, dann wird es halt aufgegeben, wenigstens wird es direkt an den Anschlussflug weitergegeben und ich muss mich nicht darum kümmern.
Genügend Zeit übrig hole ich mir etwas zu Essen und staune nicht schlecht über die Preise. Holy, moly, das ist teuer! Mit dem gefühlten Goldschatz in meiner Hand laufe ich zum Gate und warte. Und warte. Und warte. Okay, hier stimmt etwas nicht! Der Flug soll doch um 16:25 gehen und jetzt ist es 17:15? Schnell rechne ich nach, das wird knapp, ich habe nur zwei Stunden Aufenthalt bis zu meinem Anschlussflug. Eine Stunde ist schon rum. Das Gate wird nicht geöffnet, die Menschen stehen schon Schlange und das Personal steht in geselliger Runde und macht Späße miteinander. Während bei mir der Puls in die Höhe steigt. Es wird immer knapper mit der Zeit.
Endlich fängt das Boarding an und wir steigen in die Lüfte. Meine Panik ist greifbar, ich checke den Flug. Toll, wir landen genau zu der Zeit, wo mein zweiter Flug startet. Wie soll ich das bitte schaffen? Alle fünf Minuten schaue ich auf den Flugstatus und dann fragt mich meine Sitznachbarin ob alles in Ordnung ist. Ich erkläre ihr meine Situation und wir kommen so schnell ins Gespräch. Sie wünscht mir alles gute und das ich meinen Flug erwische. Wir sind gelandet und ich spreche die Stewardess an, erkläre meine Situation und hoffe, sie kann dem anderen Flug Bescheid geben, so dass sie warten. Sie beruhigt mich, der Flug weiß Bescheid und wartet. Erleichtert renne ich trotzdem von Gate zu Gate und erreiche noch pünktlich den Anschluss. Hoffentlich ist auch mein Rucksack mit dabei.
Er ist es! Wir landen in Sri Lanka, mein erstes asiatisches Land. Dank deutscher Vorbereitung habe ich das Visum schon vorher beantragt und auch die Einreisekarte ausgefüllt, so kann ich direkt zum Einreise-Schalter gehen. Aber nicht ohne vorher noch eine SIM-Karte mit unlimited Data zu kaufen. Schnell bin ich durch und hey, mein Rucksack ist direkt einer der ersten auf dem überdimensionierten Laufband. Ein großer Brocken fällt von mir und meine Panik verschwindet augenblicklich.
Es ist halb sechs Uhr morgens in Sri Lanka und ich bin müde. Müde von der Reise und dem Stress. Schnell suche ich mir einen Bankautomaten um Geld abzuheben, doch ich habe keine Ahnung wie viel. Neues Land, neue Währung, wie viel ist wie viel in Euro? Ich hole Geld ab, um dann wieder zurückzugehen und noch mehr abzuholen, sicher ist sicher.
Draußen erschlägt mich die Hitze. Ich komme aus einem muslimischen Land, also trage ich natürlich lange Hose und wünsche mir gerade, dass ich nichts trage. In Jordanien war es auch heiß aber wenigstens trocken, hier ist es eine Luftfeuchtigkeit von gefühlten 500%. Bäh. Immer wieder streiche ich mir die schweißnassen Haare aus dem Gesicht und krame mein Smartphone aus der Hose.
Dank Vorbereitung weiß ich, dass ich mir kein Taxi holen sollte, sondern über Pick-Me, das Sri lankische Uber. Doch bevor ich mir ein TukTuk kapern kann, werde ich von einem Mann angesprochen und ich kann ihn einfach nicht abwimmeln. Habe wohl doch nichts in Ägypten gelernt. Wir verhandeln und einigen uns auf einen Preis von 5.000 Rupien. Viel zu viel aber es ist jetzt sechs Uhr und ich möchte nur noch in das Hostel.
Als ich in das Auto steigen möchte, steige ich fast auf der Fahrerseite ein. What the fuck? Oh, hier ist Linksverkehr, okay das ergibt Sinn. Hätte ich mir auch, bei der Vorgeschichte, denken können. Britische Kolonie. Der Fahrer ist ein anderer, als der mit dem ich den Preis verhandelt habe und erzählt auf einmal etwas von einem anderen Preis. Ich schreite ein und sage deutlich nein. Abgemacht war 5.000! Aber es wird teurer, wenn wir über die Schnellstraße fahren, ich muss die Maut zusätzlich zahlen. Okay, dann ohne Schnellstraße, ist mir egal, wie lange die Fahrt dann dauert.
Die Sonne geht auf und der Himmel erstrahlt in roten und violetten Farben, ich genieße den Anblick, die Fahrt durch die Straßen von Colombo und wie die Stadt langsam zum Leben erwacht. Um sieben Uhr irgendwas erreiche ich endlich das Hostel und kann mich in das Bett legen. Nie war ich dankbarer für eine Klimaanlage, als jetzt. Ein paar Stunden später wache ich auf und knüpfe Kontakt zu den anderen im Hostel.
Nicht lange danach suche ich mir ein Café zum Frühstücken und wundere mich anschließend über den Preis. Hää? Ich dachte Asien wird billiger, als die Länder zuvor? Warum ist das dann hier so teuer? Naja, zu spät und was noch viel schlimmer ist, ist die schärfe des Frühstücks und dabei habe ich schon ohne Jalapeño bestellt. Das wird noch spaßig in den nächsten Wochen. Ich und Schärfe ist wie Feuer und Wasser. Etwas was gar nicht geht.
Neben der schärfe des Essens, macht mir die Hitze zusammen mit der Luftfeuchtigkeit zu schaffen. Ein Spaziergang durch die Stadt wird dadurch zur Qual und besonders, wenn dir Google Maps einen Weg zeigt, der am Ende über ein Schulgelände führt und man deshalb nicht daher laufen darf und deshalb den Umweg laufen muss.
Das Abendessen quält mich noch mehr, es ist so scharf, dass ich noch mehr anfange zu schwitzen und kaum atmen kann. Die Männer am Nebentisch finden es ziemlich witzig und machen Witze auf meine Kosten. Ich überlege, ob ich mich die nächsten Tage nur von Reis ernähren werde, der wird ja wohl nicht so scharf sein. Hoffentlich.
Am nächsten Tag probiere ich das typische Sri lankische Frühstück und schon wieder brennt mein Mund wie das Feuer in der Hölle. Verdammt man, das wird spaßig - nicht. Den Tag verbringe ich dann mit einer anderen deutschen auf dem Markt und genieße das treiben dort. Insbesondere, weil kaum ein anderer Tourist hier ist und mir das besonders gefällt. Dann werden wir von einem Einheimischen angesprochen und er lädt uns zu einer Stadtbesichtigung ein, er besorgt uns ein TukTuk, fährt mit uns durch die Stadt und zeigt uns alles wichtige . Da ich sowas schon aus Marokko und Ägypten kenne, weiß ich, dass er das nicht aus Nettigkeit macht. Doch hoffen kann man bis zum Schluss. Leider behalte ich recht und er zockt uns ziemlich hoch ab. Doch wenigstens habe ich dadurch eine Segnung von einem Mönch im buddhistischen Tempel erhalten. Ein Highlight, was ich so nicht erlebt hätte.
Zwei Nächte verbringe ich in Colombo und fahre dann mit dem Zug in den Süden. Zu den Stränden, das, was ich jetzt nach den ganzen Wanderungen in Jordanien brauche. Ruhe und nichts tun. Die Fahrkarte kaufe ich am Schalter und danke der Tatsache, dass hier auch alles auf Englisch steht, nicht immer üblich. So finde ich mich schnell zurecht und warte auf dem Zug. Der dann einfährt und mir einen Schock verpasst. Die Türen und Fenster sind offen! Okay, gut, kenne ich von meinen Erlebnis aus Ägypten und wenigstens ist es dann nicht so heiß.
Tja, nun, dafür ist es voll. Voller als voll. Eines weiß ich jetzt, wenn man denkt es passt nichts mehr, dann ist immer noch Platz für zehn weitere Personen. Stunden über Stunden stehe ich mitten im Gang, breitbeinig über meine Rucksäcke und versuche so gut es geht nicht den Stand zu verlieren, doch bei der Ruckelpartie sehr schwierig. Irgendwann teilt das Pärchen vor mir auf den Sitzen, ihr Essen mit mir und aus Gutmütigkeit teile ich natürlich auch meine Kekse mit ihnen. Sie können kein Englisch und trotzdem verständigen wir uns miteinander, dann steht der Mann auf und bietet mir seinen Platz an. So gut es geht lehne ich ab, doch er besteht darauf und ich habe einen Sitzplatz am Fenster. Wie geil! Besonders, da die Zugstrecke am Meer vorbeiführt, was für ein Anblick.
Nach mehreren Stunden komme ich meinen Ziel immer näher und verpasse die Station! Tja, Karma ist eine B*tch. Hätte ich mal nicht das Touri-Pärchen beobachtet, dass diese typischen Bilder macht, wo man aus der offenen Tür hängt. Aber um mich auch zu erklären: Der Zug ist länger als der Bahnsteig und somit standen wir mitten in der Pampa, woher soll ich dann wissen, dass das der Bahnhof ist! Es gibt ja nirgends Durchsagen oder andere Auskünfte. Also steige ich bei der nächsten Station aus und muss mit dem teuren TukTuk zurückfahren, weil es fährt ja kein Zug mehr zurück. Manchmal wünsche ich mir doch die Verbindung in meiner Heimatstadt zurück, wo vier Züge innerhalb einer Stunde fahren.
Die nächsten Tage verbringe ich am Strand und genieße die Sonne, schaffe es endlich mein E-Book in die Hand zu nehmen und ein Buch zu lesen. Und das alles ohne Sonnenbrand! Was für ein Wunder, denn normalerweise bin ich immer sofort knallrot! Selbst in Schottland erhalte ich Sonnenbrände. Aber hier, nope. Ich liege also am Jungle Beach, steige das erste Mal in asiatische Gewässer und besuche den Turtle Beach, wo große Schildkröten neben dir schwimmen und man diese sogar auch füttern kann. Einfach wow, Einfach genial. Einfach das was ich gerade brauche. Selbst das Essen wird endlich nicht mehr so scharf und ich verliebe mich in die Speise Kotthu, wovon ich mich die nächsten Tage ernähre, genauso wie von Papaya und Bananen. Die einfach so viel besser schmecken als zu Hause.
Vier Tage verbringe ich an dem Ort und dann fahre ich weiter, wieder an den Strand, nur etwas weiter südlich. Die Fahrt ist das beste an der Reise. Ich fahre mit dem Bus und diese sind so speziell hier. Offene Türen und Fenster und eine Geschwindigkeit, die in Deutschland alle Blitzer auf Hochbetrieb stellen würde. Es gibt nur eins: Vollgas! Die Rollerfahrer, TukTuks und Autos werden in riskanten Manövern überholt und wenn kein Platz ist, wird so lange gehupt bis Platz ist. Ist etwas im Weg, wird halt eine Vollbremsung hingelegt und ich sehe mich mehrmals mit dem Gesicht an der Windschutzscheibe kleben. Wer Harry Potter mag, wird sich wie im fliegenden Ritter fühlen, genauso war es jedenfalls für mich.
Weitere vier Tage verbringe ich in Mirissa, treffe dabei auf andere deutsche, die ich schon vorher im anderen Hostel getroffen habe und so verbringen wir oft den Abend oder auch den Tag miteinander. Dann fühle ich mich etwas in den Ramadan in Jordanien zurückversetzt. Alles hat geschlossen und nur die Touristen-Restaurants und Supermärkte haben geöffnet. Was habe ich verpasst? Das Neujahr! In Asien ist ein anderer Kalender und genau zu dem Zeitpunkt ist das asiatische Neujahr und somit haben die Einheimischen vier Tage frei. Okay, hätte ich vielleicht vorher recherchieren können, dann ist man einmal nicht typisch deutsch und lässt das sein...
Naja, so bietet sich die Gelegenheit zur Party. Am Neujahrsabend findet eine Jungle Party statt und wirklich jeder ist dort. Alle reisenden die ich vorher getroffen habe, ist da. Wirklich mitten im Jungle! Die beiden Mädels und ich teilen uns ein TukTuk, tanzen zu asiatischen Techno-Musik und haben einen schönen Abend, trotz drückender Hitze und riesen Skorpion, der unseren Füßen extrem nahe gekommen ist.
Weitere Tage am Strand liegend reise ich weiter. Wieder mit dem Bus und wieder eine rasante Fahrt. Ich verlasse die Touri-Orte, bleibe aber im Süden. Ein kleines B&B, wo ich mir ein Zimmer mit zwei anderen Teile und natürlich ist einer von ihnen deutscher, was anderes, wäre auch zu verrückt. Deutsche sind halt überall.
Früh aufstehen heißt es für mich am nächsten Morgen, denn es geht auf Safari. Ein Erlebnis was ich schon immer in meinem Leben machen wollte. Jetzt ist es soweit! Vier Uhr geht es los, erst werde ich mit dem TukTuk zum Nationalpark gefahren. Dann steige ich in den Jeep um und fahre bei Sonnenaufgang in den Park hinein. Ein Traum wird wahr, ich sehe die Sonne glitzernd auf dem See, die Wasserbüffel laufen an der Straße entlang und dann steht da ein Elefant! Was ein Anblick, was für ein Riese!
Im Park fahren wir eine andere Strecke, als die anderen und dann passiert es. Wir bleiben im Schlamm stecken, da es gestern ziemlich geregnet hat, sind die Straßen mehr Matsch als etwas anderes. Ein anderer Jeep kommt uns zur Hilfe und wir sind wieder frei. Ich bin etwas enttäuscht, bis jetzt haben wir nur wenig gesehen und ja, ich weiß die Natur und die Tiere kann man nicht beeinflussen aber trotzdem, immerhin ist schon über eine Stunde meiner Zeit damit drauf gegangen im Schlamm stecken zu bleiben. Dann kommt einer dieser Momente. Wir stehen am Straßenrand und ein Elefantenbulle direkt daneben, er saut sich mit dem Schlamm voll und schützt sich somit vor der Sonne. Er läuft los und direkt an meinen Jeep vorbei, würde ich den Arm ausstrecken, könnte ich ihn berühren, was ich aber natürlich nicht mache. Weiter geht es und dann ist das Glück auf meiner Seite, eine ganze Elefantenfamilie ist zu sehen. Etwas was selten ist, da es eine große Familie und ein Baby-Elefant dabei ist! Gerade mal sechs Monate alt, tapst der kleine Riese seiner Mutter hinterher und bringt alle Touristen und selbst auch die Guides zum seufzen. Wie süß!
Die nächsten Tage sitze ich wieder am Strand und dann kommen die Tränen. Der perfekte Tag, die perfekte Umgebung, ein Strand, Palmen, Sonnenschein und Meeresrauschen. Was will man mehr? Genau, was will man mehr und warum Weine ich dann? Der Auslöser ist so dumm wie Forrest Gump, ich weine darüber, dass die Wellen so stark sind und ich deshalb nicht schwimmen kann. Ich habe noch so viele Strandtage vor mir und deshalb weine ich. Doch in dem Augenblick ist es nur ein Auslöser, ein Auslöser für alles was sich die letzten Wochen aufgestaut hat.
Es kommt alles zusammen, die Wellen, die Abzocke für die Strandliege, der nervige Mann, der mir tausend Fragen in den Bauch löchert und mich nicht in Ruhe lässt, der wenige Schlaf und die Reizüberflutung. All das und noch mehr, sorgen dafür, dass ich im Paradies weine. Doch mit Mamas Unterstützung - die mal die typische Intuition hat und mich genau in dem Augenblick über WhatsApp fragt ob alles in Ordnung ist, kann ich die Tränen trocknen und mein Selbstbewusstsein zurück erobern. Ich traue mich wieder in die Wellen und stelle mich meinen Ängsten. Ein weiteres Mal, denn Mama hat recht.
Ich bin Selbstbewusst, stark und ich lasse mich von einem Tief nicht unterkriegen.